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Rhythmik - Das Spezielle daran 

Karl Heinrich Ehrenforth zur Rhythmik

Grazyna Przybylska-Angermann - 
Rhythmik als Prävention in der Musikerausbildung
Reinhard Ring - Rhythmik - das Spezielle daran
Symposium "Die Identität der Rhythmik", Biel 1996
Silvia del Bianco/ Paul Hille
Reinhard Ring/ Marie-Laure Bachmann
 
Karin Jehrlander - Fünfertakte
Annette und Moritz Hartung - Rhythmik in ehemaligen Kriegsgebieten - Musiegt in Bosnien
Ein Gedanke zum Thema Rhythmik, geäußert beim Hochschulfest der Hochschule für Musik und Theater Hannover am 05.07.2003 

von Reinhard Ring


Rhythmik - das Spezielle daran

 

Was ist das Spezielle an der Disziplin Rhythmik? Sie existiert jetzt seit hundert Jahren. 1903 gab Emile Jaques-Dalcroze die erste öffentliche Rhythmikstunde.

Hundert Jahre Rhythmik, zunächst als Zusatzqualifizierung, schon bald grundständig zu studieren. Für den Genfer Kongress 2003 wurde das Berufsbild in verschiedenen Ländern verglichen und es wurden große Unterschiede festgestellt. In 15 Ländern und 30 Ausbildungsstätten variiert die Ausbildung von kleinen Zusatzkursen (Italien) bis zum offiziell akademischen Master-Titel (USA und Schweden). Die Ergebnisse wurden von David Frego, Ohio State University, gesammelt.

Alle Ausbildungsstätten lehren Bewegung, Klavierimprovisation, Stimmbildung; alle bieten eine pädagogische Ausbildung. Der allgemeinpädagogische Anteil ist in den deutschsprachigen Ländern am größten. Die Bewegungsanteile sind in Belgien, Deutschland, Polen, Schweden und der Schweiz größer als in den angelsächsischen Ländern. Die größte Verbreitung hat die Rhythmik in Japan, Schweden und Polen. Deutschland ist zwar Spitze in der Anzahl der Rhythmikliteratur (ähnlich wie bei anderen pädagogischen Fächern), hat sich jedoch möglicherweise am weitesten von der speziellen Eingrenzung auf die Besonderheiten des Verfahrens entfernt. 

1915 noch hat die Deutsche Elfriede Feudel in "Die rhythmische Gymnastik in der Schule" vor allem die Qualifikationen musikalischer Bewegung thematisiert. Ähnliche Bücher wurden damals auch außerhalb Deutschlands publiziert. Es ging stets um Rhythmik als Musikunterricht. Feudels Buch soll hier zwar nicht als Leitlinie für heute gepriesen werden. Es ist jedoch bemerkenswert, wie wenig sich dessen Themen (Realisationen, Phrasierungen, zwei gegen drei, pathetischer Akzent oder Plastik) von denen unterscheiden, die bis heute in vielen Ländern, besonders in den USA und Japan in der Rhythmik gelehrt werden.

Seit einigen Jahrzehnten taucht die Unterscheidung Rhythmik und Dalcroze-Rhythmik auf. Damit ist nicht der Unterschied zwischen einer der vielen Rhythmus-Schulen und der Rhythmik in der Dalcroze-Tradition gemeint. Es handelt sich um die Unterscheidung zwischen einer etwas ins Allgemeinere gehenden Rhythmik, und einer, die an den klassischen Themen festhält. Diese Unterscheidung scheint es so nur in deutschsprachigen Ländern zu geben, woanders wird Dalcroze und Rhythmik synonym gebraucht.

Feudels erstes Buch wird kaum noch erwähnt. Sie selbst hat sich später zunehmend der allgemeinen Persönlichkeitsbildung gewidmet (man denke an ihr letztes Werk "Dynamische Pädagogik"). An fertigkeits-orientierter Literatur erschien in Deutschland noch ein Buch von Rudolf Konrad, Rhythmus-Metrum-Form, und es erschienen Aufsätze in Fachzeitschriften, wie die Untersuchung von Hildegard Tauscher zur Frage, wo denn das Rhythmik-Solfege in Deutschland geblieben sei. Die allgemeinpädagogische Rhythmik-Literatur wurde populärer und von einigen Schülerinnen Feudels weitergeführt. Konnte sich die Rhythmik "... in der männlichen Kultur von Schule und Musikhochschule nicht durchsetzen, jedoch im weiblich geprägten Bereich der Sozial- und Heilpädagogik. ", wie Songrid Hürtgen-Busch schreibt? Soll man da "... die Zukunft der Rhythmik." sehen? (S. Hürtgen-Busch in Gies, S. u.a., Dalcroze 2000, Hochschule f. Musik Dresden S. 28).

Zumindest international gibt es auch andere Entwicklungen. Nicht weit, schon in der romanischen Schweiz, versteht sich die Rhythmik an der Schule nicht als soziales Förderprogramm sondern als allgemein gültiger Musikunterricht, ähnlich in Schweden, Polen oder den USA.

Hinterfragt werden muss auch die Denkweise, Rhythmik über die mit ihr zu erwerbenden Schlüsselkompetenzen zu definieren. Dazu gehört auch der RISK Forschungs-Beitrag des BRE. Dort wird Rhythmik als eine Art ".... Propädeutik der körperlich-sinnlichen Wahrnehmung für alles künstlerisch-kreative Tun des Menschen" herausgestellt (RISK Memorandum von J. Kreutzkam, Juni 2003). 

Die Rhythmik über solche „Soft-Skills" unter Vernachlässigung der „Hard-Skills" zu definieren, ist nicht unproblematisch. Schlüsselkompetenzen, soziale und kreative Kompetenzen werden heute nahezu in allen Disziplinen betont. Sie können das Spezielle einer Disziplin vernebeln.

Dazu gestatten Sie ein Ratespiel.

Um welches Fach handelt es sich bei folgendem Text? 

 

Insgesamt leistet die ... unverzichtbare Beiträge zu folgenden untereinander vernetzten Kompetenzen, die zusammen eine Zielvorstellung von Bildung umschreiben, die für alle Schülerinnen und Schüler anzustreben ist, individuell sicherlich aber nur in differenzierter Ausprägung erreicht werden kann: 

Denkkompetenz: z.B. Abstraktionsfähigkeit ... kreative Phantasie; 

Sprachkompetenz: z.B. Sicherheit im ... Ausdruck, Freude an Kommunikation

Umweltkompetenz: z.B. Wahrnehmung und Bewertung von Zuständen und Veränderungen in der Umwelt, umweltgerechtes Verhalten in allen Lebensbereichen; 

Sozialkompetenz: z.B. Fähigkeit zum Arbeiten in einer Gemeinschaft, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit; 

Ethische Kompetenz: z.B. Entscheidungsfähigkeit, Verantwortungsbereitschaft; 

Lernkompetenz: z.B. Bereitschaft und Fähigkeit zum Lernen an Problemen und Konflikten, Wissbegierde; 

Instrumentelle Kompetenz: z.B. Beherrschung von Experimentiertechniken; 

 

(Auflösung am Ende des Textes)

 

Eine andere Gefahr liegt in extrem heterogenen Aussagen zu dem Fach. Die folgenden beiden Aussagen:

 

1. Rhythmik ist ein Weg zur musikalischen Bildung, der auf der Voraussetzung basiert, dass Rhythmus das primäre Element der Musik ist und dass die Quelle für alle musikalischen Rhythmen in den natürlichen Rhythmen der menschlichen Bewegung gefunden werden können. 

B. Abramson in Choksy u.a., Teaching Music in the 21st Century S.27

 

und 

 

2. Rhythmik als pädagogisches Arbeitsprinzip will das, was als zentrale Kraft alles Lebendigen so selbstverständlich vorhanden ist, bewusst machen, nötigenfalls wieder in eine dynamische Balance bringen und für pädagogische und künstlerische Anliegen fruchtbar machen.

B. Schildknecht, Rhythmik und Sozialerziehung in der Primarschule S.9

 

... deuten die extreme Spanne an. 

 

Warum wird das Spezielle so ungern genannt? Darüber, dass wissenschaftliche Untersuchungen fehlen, besteht mehr Einigkeit als darüber, ob bei der Rhythmik bewegungsorientiertes Musiklernen im Zentrum steht. Bei allen notwendigen Bereicherungen und Ergänzungen verliert die Rhythmik jedoch, wenn sie vernachlässigt, was sie von anderen persönlichkeitsbildenden Disziplinen unterscheidet. 

 

***

Auflösung: 

Aus einem Arbeitspapier der Gesellschaft für Didaktik der Mathematik (GDM).  

 

 

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